Die Literaturboote waren mit einer Auslastung von über 80 Prozent ein grosser Erfolg.
Vier Autoren schufen literarische Begegnungen auf dem Rhein.

Autorin: Jurga Wüger

Zum zweiten Mal schenkte der Neuhauser Rebbauverein den zahlreichen Gästen am letzten Sonntag mit den Literaturbooten im Rheinfallbecken einen literarisch-musikalischen Hochgenuss und stellte Autoren und Werke vor, die jeder kennen sollte. Die Idee des Kulturvermittlers Beat Toniolo, Literatur und Wasser zu verbinden, scheint immer noch grossen Anklang bei der Zuhörerschaft zu finden. Die Rundfahrt selbst dauerte 75 Minuten, die Gäste durften auserlesene Literatur, musikalische Unterhaltung und einen Apéro in Form von Wein und Käse geniessen. Für den würdigen musikalischen Rahmen sorgte auch dieses Jahr Christoph Bürgin auf seiner Gitarre – eine einmalige Kombination aus Ruhe, Nachdenklichkeit und Geselligkeit.

Gehaltvoll und meditativ
Felix Graf, ein Autor aus Stein am Rhein, bespielte das erste Boot. Sein neues Werk trägt den Titel «Schnur und Zeichen» und ist, wie die Tagebücher davor, darunter auch «Fluss und Zeit», gehaltvoll, durchdacht und mit einem starken meditativen Sog versehen. So erlebt der Lesende gemeinsam mit dem Autor das irdische Paradies in Portugal, beobachtet das Geschehen und lässt sich von der Leichtigkeit des Daseins umarmen. Selbst die bekannte Geschichte vom Fischer und der gierigen Fischerin lässt er in einem neuen Licht erscheinen. Seine metaphorische Sprache, unerwartete Vergleiche mit vielen Zweiggeschichten und innerlichen Exkursionen richten den trägen kulturbiographischen Kompass neu aus.

Bücher für alle Generationen
Der Neuhauser Schulleiter Thomas Pfeiffer übernahm die zweite Runde. Seine Lesung aus dem Buch «Belinda, Tim und Charly und Bubehuu» wurde von zwei Booten begleitet. Die Gäste liessen sich schnell von der Abenteuerlust des jungen Trios begeistern. Die Kinder hingen an den Lippen des Autors, als sie hörten, dass es im Buchberghaus spuken soll und eine weisse Gestalt mit der Kette am Fuss ihr Unwesen treibt. Thomas Pfeiffer ist ein geborener Erzähler und weiss um seine Wirkung. Seine Art, die Texte vorzutragen, hat Filmcharakter und lässt Sequenzen vor dem geistigen Auge entstehen. So wird jeder fast unbemerkt ein Teil seiner Geschichte.

1 Haus, 11 Menschen, 65 Gefühle
Das dritte Boot übernahm Tim Krohn aus Graubünden. Sein Werk «Herr Brechbühl sucht eine Katze» sprudelt von menschlichen Regungen in allen Formen und umschreibt 1 Haus, 11 Menschen und 65 Gefühle. Entspannt, humorvoll und präzise führt er seine Feder und erschafft eine neue Realität. Es ist eine Welt, in der jeder seiner personifizierten Gefühlsregung entgegentreten darf und dabei noch einen Lachkrampf bekommt. Tim Krohn ist kein Unbekannter in der deutschsprachigen Literaturszene und immer wieder eine grossartige Neuent­deckung.

Vielseitige Kriminalgeschichten
Der Krimiautor Daniel Badraun aus Diessenhofen überraschte seine Gäste mit Lesepassagen aus drei Werken: «Muschelgaul», «Schwarzeis» und «Schwarzmost». Seine Krimis werden dem sogenannten «Wer hat es getan?»-Schreibstil zugeordnet und durch die umständliche Suche nach einem Täter beginnt der Lesende selbst, geistig zu ermitteln und zu rätseln. Ganz anders geht der Autor in seinen Kurzgeschichten vor. Der amüsant verfasste Dienstbericht, mit kuriosen Details, wie die Steiner Polizei aus einem Unfall ein Raubverbrechen inszeniert, zeigt die grosse Spannweite an Themen, die der Autor anpackt. Kurzum: Die diesjährigen Lesungen auf den Literaturbooten im Rheinfallbecken schafften einen schönen inhaltlichen Bogen zwischen Philosophie, Humor, Abenteuerlust und Kriminalgeschichten.