Meistens veröffentliche ich Konzert- und CD Kritiken ohne Kommentare auf meiner Website, bedanke mich beim Schreiber und lass die Leute lesen.
Der nun folgende Schludderartikel des Schaffhauser Journalisten A.W. muss aber kommentiert werden. Zu viele Fehler, Ungenauigkeiten und Ungereimtheiten werden da verbreitet.

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Artikel aus den Schaffhauser Nachrichten

Der Schaffhauser Christoph Bürgin legt seine zweite CD unter eigenem Namen vor: «19:57». 1 Im Gegensatz zu andern einheimischen Songwritern hat er sich der Mundart verschrieben.

Die Platte ist sehr schön verpackt. Wer in der Region lebt, erkennt die Flusspartie sofort, diejenigen, die nicht in der Region leben, wollen sie ganz bestimmt bald einmal in natura sehen. Es ist eindeutig, dass Christoph Bürgin Schaffhausen und den Rhein liebt.

Im Jahre 2015 kam mit «Chömmer so lo» die erste CD mit Mundartliedern aus der Feder des Schaffhauser Barden 2 auf den Markt, jetzt die zweite mit dem Titel «19:57», was auch gerade das Geburtsjahr des Sängers preisgibt. Wie schon auf der ersten Platte, wo die Ballade «Glattdecker Rhifall» ein Höhepunkt war und ein historisches Ereignis beschreibt, gibt es auch auf der aktuellen Scheibe eine historische Ballade. Sie heisst «Anna Wirthin» und erzählt die Geschichte einer Frau aus dem Schwarzwald, die im 17. Jahrhundert als Hexe hingerichtet wurde: nicht auf dem Scheiterhaufen, sondern durch das Schwert, was damals als eine Art Begnadigung angesehen wurde. 3

Texte sorgen für Stirnrunzeln

Die andern Lieder auf «19:57» sind weniger düster, sind häufig am Wasser angesiedelt und erzählen auffallend oft von Bootsfahrten: «Im Trüebe fische», «Fischerboot», «Schturmwaarnig» 4 . Damit wären wir bei den Texten. Diese hatten schon auf dem Erstling «Chömmer so lo» für einiges Stirnrunzeln gesorgt, und das ist leider auch auf dem Nachfolgealbum so 5 . Manches klingt so unmundartig wie nur etwas – «Wäär dankbar z wüsse, für wen mis Härz schloot» oder auch «… in Riihof abe, um s luschtig mit dir z haa»–, sodass die schriftdeutsche Syntax empfindlich stört.

Und das ist sehr schade, denn die Musik ist seit dem letzten Silberling in eine vielversprechende Richtung weiterentwickelt worden. Mark Koch am Flügel und an der Orgel, Peter Fischer am Schlagzeug, Heidi Moll am Akkordeon 6 sowie der Multiinstrumentalist Rolf Stauffacher 7 , der die Posaune ebenso zu spielen weiss wie die Kalimba, geben dem Sound abwechslungsreiche Facetten. Das zeigt sich am wohl schönsten Song des Albums, «Fischerboot», der eine tolle Stimmung erzeugt. Und dabei ein wenig an die sensibelsten Arrangements des Iren Van Morrison 8 erinnert. Irland spielt – neben dem Wasser, den Rhein- und den Seeufern – eine grosse Rolle, so etwa in «Wolke und Schtäi» 9 , was in Schaffhauser Ohren sofort auf den Wolkenstein bei Stein am Rhein verweist, aber weit gefehlt: Bürgin entführt einen in diesem Lied auf die Grüne Insel: «D Fluet isch vobii / gsee nur Wolke und Schtäi. 10 »

Blues auf Schaffhauserdeutsch

Die Arrangements der Songs sind geschmeidig, etwa die Hälfte davon beginnt mit Trommelschlägen, so auch «Si schlönd de Sack», ein Blues 11 . Die Musik auf «19:57» klingt eindeutig angelsächsisch, in den Texten indes wird noch zu wenig echt «gschafuuseret» 12 . Hier liegt noch sehr viel Entwicklungspotenzial. Trotzdem: Wer diese CD in den Player im Auto schiebt, kommt damit locker bis ans Meer.

13, 14, 15, 16

1 Ich lege eine CD unter eigenem Namen vor. Genau, und nicht nur das. Die CD wurde selber produziert, finanziert und wird auch selber vertrieben.
2 Ich habe mich nie als Barden bezeichnet. Denn ein Barde ist ein Dichter und Sänger des keltischen Kulturkreises.
3 Anna Wirthin wurde in 1653 Schaffhausen hingerichtet. Der Ort der Hinrichtung ist wohl erwähnenswert, da ich sonst kaum ein Lied über sie geschrieben hätte. Bemerkenswert hier der Schweizer Dudelsack, der dem Lied eine ganz besondere Note (mood) gibt.
4 Schturmwaarnig beschreibt keine Bootsfahrt. Eher das Gegenteil, nämlich das am Ufer in einem Spunten hocken und das Unwetter auf diese Weise ausstehen.
5 Texte zum Stirnrunzeln … in seiner Kritik vom 3. Juni 2015 zur ersten CD kein Wort von Stirnrunzeln, eher lobende Worte zu den Texten. Warum dieser Sinneswandel? Der Schreiber desavouiert damit auch den Mundartexperten Dr. Alfred Richli, der bereits zum zweiten Mal für die Textredaktion gewonnen werden konnte.
6 Heidi Moll spielt nicht Akkordeon. Heidi Moll ist eine bekannte und sehr versierte Bassistin aus Bern.
7 Rolf Stauffacher ist nicht einfach ein Multiinstrumentalist, er ist der Produzent von 19:57 (und vielen andern Schweizer Musikproduktionen – www.producer.ch)
8 Der Ire Van Morrison ist ein Nordirischer Musiker, Sänger und Komponist. Wurde 2016 zum Sir Van Morrison OBE erhoben.
9 Irland spielt auf dieser Scheibe eine eher untergeordnete Rolle. Ein einziges Lied ist der Insel gewidmet und hier ist auch ein irischer Dudelsack zu hören.
10 Zudem: es heisst im Refrain: „D Fluet isch verbii“, nicht „vobii“ – wenn schon, dann bitte richtig zitieren.
11 Si Schlönd de Sack ein Blues. Ja genau, mit kulturpolitischem Hintergrund.
12 Zu wenig „echt gschafuuseret“. Was ist denn „echt gschafuuseret“? Gerade dieser Journalist, der sich viel mit unserer Mundart beschäftigt, müsste wissen, dass wir von 5 Schaffhauser Mundarten ausgehen. Ich wählte – mit wenig Ausnahmen – die Mundart der Stadt Schaffhausen, wo ich aufgewachsen bin.

13 Schade, dass die Website für den CD Verkauf nicht angegeben wurde. Auch schade, dass die Verkaufsstellen Orell Füssli und Schaffhauser Tourismus am Herrenacker nicht erwähnt wurden.
14 Sehr schade, dass kein Hinweis auf das Konzert vom 2.3.2019 im Rüdensaal in Schaffhausen erfolgte.
15 Das kommt wohl davon, dass das vereinbarte Gespräch dann doch nicht stattfand und der Artikel einfach mal so hingeschluddert wurde und ohne mein Gegenlesen publiziert wurde.
16 Allerdings: eine wohlwollende, aber keine Gefälligkeitskritik, schreibt mir A.W. Was er damit wohl meint?